Havila: Modernes nachhaltiges Reisen in Norwegen
Die norwegische Postschiffroute, die auch als Hurtigruten weltweit bekannt sind, bekam im Dezember 2021 neue Dynamik. Neben den Schiffen der Rederei Hurtigruten AS, startet mit der Havila Capella von Havila Kystruten AS (international unter Havila Voyages vermarktet) eine weitere Reederei in den offiziellen Betrieb der regelmäßigen Verbindung zwischen Bergen im Süden und Kirkenes im Norden Norwegens.
Auch wenn die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und zuletzt ein schweres Erdbeben in der Türkei (Standort der Werft) zu einigen Verzögerungen führten, so sind spätestens seit Mitte 2022 die beiden Schwesternschiffe Havila Capella und Castor im regulären Betrieb an der norwegischen Küste unterwegs. Ende August wurden die weiteren beiden baugleichen Schiffe Polaris & Pollux in Dienst gestellt.
Die Havila Schiffe bieten in 179 Kabinen mit zusammen 468 Betten Platz für maximal 640 Passagiere. Die Diskrepanz bei der maximalen Passagierzahl erklärt sich durch den Fähranteil der Gäste, die nur einzelne Teilabschnitte der Strecke zurücklegen und dafür keine Kabine benötigen. Falls ein Auto, Fahrrad oder Motorrad transportiert werden soll, stehen 9 Stellplätze für Fahrzeuge im Fährbetrieb zur Verfügung. Neben dem touristischen Aspekt der Reise spielen die Schiffe auf den Hurtigruten eine große Rolle in der Versorgung der kleinen norwegischen Küstenorte mit Fracht. Mittlerweile wird zwar keine Post mehr transportiert, dennoch bleibt der Name Postschiffroute als Sinnbild für die Tradition, die in 2023 ihr 130jähriges Jubiläum feiert.
Havila Voyages wirbt mit dem Claim „Mehr Impressionen, kleinerer CO2-Fußabdruck“. Das schaue ich mir auf einer Reise im Teilabschnitt von Kirkenes nach Bodø an.
Was ich in diesen gut drei Tagen an Bord der Havila Castor alles erlebt habe, gleicht einem Sommermärchen: Mitternachtssonne, Nordkap & Lofoten. Doch die Reiseerlebnisse sind eine andere Story. Ich fokussiere mich hier auf das Schiffserlebnis.
Schiffsinterieur
Sobald man die Havila Castor über die breite Luke betritt, kommt der erste Wow-Moment. Ein über drei Decks reichendes Atrium mit Glasdach lenkt sehr viel Licht ins Innere. Deck 6 ist das Herz des Schiffs. Dort befinden sich die Restaurants, das Havly Café, der Shop und mehrere Gemeinschaftsbereiche. Natürliche Materialien und skandinavisches Design erzeugen eine behagliche, authentische und entspannte Atmosphäre, was den Wohlfühlfaktor sofort erhöht. Grelle Farben haben keinen Platz in der stilvollen Einrichtung, sie finden sich allenfalls in einem Aperol Spritz an der Bar wider. In einem kaminzimmerartigen Gemeinschaftsbereich vorne im Bug (inklusive elektrischem Kaminfeuer) laden bequeme Lesesessel und eine kleine Bibliothek zum Verweilen ein. Dieses behagliche Gefühl von Wärme stelle ich mir speziell bei Reisen im Winterhalbjahr als einen Lieblingsplatz vor.
„Coastal Kitchen“ an Bord
Die Kulinarik wird an Bord der Havila Flotte großgeschrieben und haucht ihr mit dem Begriff „Havila Food Stories“ Social-Media taugliches Leben ein. Sowohl im Hauptrestaurant Havrand als auch im Hildring Fine Dining (gegen Aufpreis) werden köstliche norwegische Speisen angeboten, die aus Zutaten lokaler Produzenten stammen. Dabei wechselt ein Teil der Speisekarte je nachdem an welchem der vier Küstenabschnitt man sich befindet. Von Nord nach Süd sind Arktis, Polar Land, Fjorde gefolgt von den Schären mit entsprechenden lokalen Spezialitäten auf der Speisekarte vertreten. Für Gäste mit dem Premium-Paket Havila Gold gibt es zudem köstliche Zusatzgerichte.
Die Besonderheit am Essenskonzept: Es werden kleine norwegische Tapas-Portionen ausschließlich auf Bestellung am Platz von sehr freundlichem Personal serviert. Die Anzahl ist frei wählbar. Somit schlemme ich mich aufgrund der großen Vielfalt an Speisen durch die regionale Küche Norwegens, auch Coastal Kitchen genannt. Lecker und nachhaltig zugleich, denn mit diesem Konzept konnte Havila Voyages die Essensreste auf 71g pro Person und Tag reduzieren. Die Reederei positioniert sich damit ganz klar gegen Lebensmittelverschwendung (Einsparung um über 60 Tonnen pro Jahr) als Teil ihrer Nachhaltigkeitsstrategie.
Wer geschmacklich sowie in kunstvoller Präsentation noch einen Gang höher schalten möchte, der bekommt im Hildring Fine Dining per Fünf-Gänge-Signature-Menü die passenden norwegischen Köstlichkeiten auf Tellern zelebriert.
Bekanntlich liegt das Preisniveau in Norwegen für Essen, Getränke und Lebensmittel sehr hoch. Um für die Reise keine Preissorgen zu haben, bieten sich die fest tarifierten Getränkepakete an. Das Besondere bei Havila Voyages, es werden Getränkepakete mit und ohne Alkohol nach Einheiten (30, 50 oder 70) angeboten.
Und wie sieht es mit der Umweltfreundlichkeit der Havila Castor aus?
Im Herzen des Schiffs laufen zwei hochmoderne Motoren, die standardmäßig mit LNG oder alternativ mit Batteriestrom betrieben werden. Das besonders energieeffiziente Rumpfdesign zusammen mit den beiden modernen Azipod Antriebsgondeln führt im aktuellen Betrieb dazu, dass die CO2-Emissionen um 35–40 % und die lokalen Emissionen wie NOx und SOx um über 90 % reduziert werden, verglichen mit ähnlichen Schiffen, die herkömmliche fossile Brennstoffe nutzen (lt. Angaben der Reederei). Vom Engine-Kontrollraum aus werden nicht nur die Motoren und Antriebssysteme, sondern auch sämtliche Stromverbräuche auf dem Schiff kontrolliert und ggf. nachjustiert. Die diversen Monitore und Anzeigentafeln haben 24/7 stets mindestens zwei Techniker im Blick.
Emissionsfrei und geräuschlos in den Geirangerfjord
Besonders stolz ist der CEO von Havila Kystruten Bent Martini auf die Tatsache: „in 2022 als erstes Kreuzfahrtunternehmen der Welt emissionsfrei und geräuschlos in den Geirangerfjord, ein UNESCO-Weltkulturerbe, eingefahren zu sein und das bereits vier Jahre vor dem Inkrafttreten von der Regierung geforderten emissionsfreien Fähren und Schiffen in den Weltkulturerbegebieten“. Wie ist das möglich? Die Havila Castor, wie ihre Schwesterschiffe, haben als Teil ihres Hybridantriebs mit 6.102 kWh weltweit das größte Batteriespeichersystem von küstennahen Schiffen an Bord. Damit ist eine emissionsfreie und geräuschlose Fahrt von bis zu vier Stunden möglich.
Ich konnte dies selbst bei der Einfahrt in den Trollfjord erleben. Das einzige was ich hören konnte, war das Raunen der Gäste auf der Aussichtsplattform am Bug sowie ein leiser Gesang eines norwegischen Chors an Bord. Die steil aufragenden Felsen waren fast zum Greifen nahe. Mit einer majestätischen 180-Grad-Drehung im Fjord setzt Kapitän Truls wieder Kurs auf den nächsten Hafen Svolvær.
Während die Schiffe an Land festmachen wird in den größeren Häfen mit längeren Liegezeiten aus Wasserkraft gewonnener Landstrom genutzt. Die Wärmegewinnung erfolgt mit Kühlwasser und dem Energiesystem. Das Trinkwasser wird fast ausschließlich an Bord produziert. Der Müll wird strikt getrennt und in modernsten Abfallentsorgungssystemen zur Energiegewinnung genutzt. Hinzu kommt die Sensibilisierung der Gäste für den Umweltschutz in Form einer „Eco-Traveler-Kampagne“ auf den Kabinen. Per Türschild wählen die Gäste selbst, ob eine Kabinenreinigung am Tag erforderlich ist oder nicht, um weiter Ressourcen zu schonen. Das Gesamtpaket an Anstrengungen von Havila Voyages wurde zuletzt vom Deutschen Naturschutzbund im Kreuzfahrt-Ranking in Punkto Klima- und Umweltschutz mit dem 1. Platz (zusammen mit Hurtigruten AS) belohnt.
Kabinen
Meine Kabine liegt am Heck und wird als Seaview Superior Double ausgewiesen. Sie ist riesig und ebenso stilsicher eingerichtet. Zwei große rechteckige Fenster geben den Blick frei auf die Heckwelle und das Fjordpanorama. Betten im norwegischen Standardmaß, was bei 150m Breite zunächst eher schmal wirkt, erhöht im Winter den Kuschelfaktor und im Sommer befindet man sich Dank Mitternachtssonne sowieso weit außerhalb des normalen Schlafpensums. Die Ausstattung umfasst neben ausreichend großen Schränken, Sofa und Schreibtisch, TV, Minibar, Fön, Tee und Kaffee. Einen Safe sucht man dagegen vergeblich (erst ab Juniorsuite). Die familiäre Atmosphäre an Bord, scheint diesen auch obsolet zu machen. Auf einen Aspekt sollte man beim Betreten des Bades achten. Die Trittschwelle nach innen ist ungewöhnlich hoch. Die Dusche ist sehr geräumig und mit einer feststehenden halben Glasabtrennung ausgestattet. Demnächst sollen die bislang fehlenden Badvorleger nachgerüstet werden.
Strom sparen auf Norwegisch: Kurz nachdem man die Kabine verlässt, gehen die Lichter aus, falls man selbst vergessen haben sollte den Schalter zu betätigen. Und das ohne zentralen Stromhub, in den man die Kabinenkarte einsteckt.
Die Kabinentypen reichen von Innenkabinen beginnend ab 10qm mit Hoch-Klapp-Bett, Seaview-Kabinen über Panorama und Deluxe Kabinen mit Balkon bis hin zu Junior Suiten mit Balkon und zwei 45qm großen, sehr hochwertig eingerichteten Lighthouse Suiten mit Jacuzzi auf dem Balkon.
Bordleben
Wer spielt auf dieser Postschiffroute die Hauptrolle? Richtig, die atemberaubende norwegische Landschaft. Deshalb sind die öffentlichen Bereiche mit durchgängigen, raumhohen Panoramafenstern ausgestattet. Somit ist die Küste stets im Blick, egal ob Sie es sich in einem Lounge-Sessel bequem machen oder einfach nur am Vorbeigehen sind. Gleiches gilt für die Restaurants, hier konkurrieren zwar die Blicke auf die stilvoll angerichteten Speisen mit dem Küstenpanorama, doch Dank bodentiefer Fensterfronten entgeht auch nicht, wenn plötzlich ein Buckelwal auftaucht. Zum Sterne Gucken und dabei einen Cocktail schlürfen, eignet sich die Havblikk Bar & Lounge. Denn hier eröffnet das gläserne Dach dieser Observation Lounge die Sicht auf den Sternenhimmel oder gar die Polarlichter. Also zurücklehnen, stimmungsvolle Lounge-Musik und das „Natur“-Kino genießen.
Expeditionsfeeling macht sich am Bugaussichtspunkt auf Deck 6 breit. Dort habe ich mich während dieser kurzen Reise sehr häufig und lange aufgehalten. Dem Meer sehr nah und vor allem bei der 180 Grad Drehung im Trollfjord auch den steilen Felswänden sehr nah. Ich habe Mitreisende nach deren Lieblingsplatz an Bord gefragt und viele unterschiedliche Antworten bekommen: Kein Wunder, die Havila Castor macht es auch mir schwer nur einen Lieblingsbereich zu benennen. Bestimmt zählt der „Kapitänsblick“ auf Deck 9 im Außenbereich vor der Havblikk Lounge genauso dazu.
An Bord befinden sich zwei vom Außendeck zugängliche Saunas mit Umkleide, zwei Whirlpools und zwei Fitnessräume. Das habe ich mir selbst im Juni nicht entgehen lassen: Mitternachtssonne um 01:00 morgens bei einem Glas Sekt im Whirlpool. Zu dieser Zeit ist die Außenbar Havbris zwar nicht mehr im Service, doch tagsüber werden dort Cocktails serviert, oder heiße Getränke, je nach Jahreszeit.
Besonders praktisch: Es gibt eine kleine Selbstbedienungs-Wäscherei an Bord mit mehreren Waschmaschinen, Trocknern und Bügeleisen.
Kurze Stopps und spannende Exkursionen
Auf einer kompletten Rundreise werden an den 12 Tagen insgesamt 34 Häfen angelaufen. Dabei sind kleine Ortschaften mit wenigen hundert Einwohnern, mit nur kurzen Versorgungsstopps von wenigen Minuten, sowie Städte mit mehrstündigen Aufenthalten.
Havila Voyages bietet jeden Tag in ausgewählten Häfen mit längeren Liegezeiten ein spannendes Ausflugsprogramm an. Ob Adler-Safari, der Besuch des Nidarosdoms, das Nordkap oder Fahrten per Schlauchboot, sowie im Winter per Hunde- oder Rentierschlitten. Ein besonderes Highlight konnte ich selbst in Kirkenes erleben, das zart süßliche Fleisch der selbstgefangenen Königskrabben in einer urigen Holzhütte verkosten. Immer mit dabei eine bereichernde Wissensvermittlung zu Natur, Geographie oder Lebensweise der beobachteten Tierwelt. Sei es direkt beim Ausflug oder bei den Vorträgen an Bord als Vorbereitung zum Exkursionsprogramm.
Die Gäste verströmen sehr internationales Flair auf dem Postschiff. Bis aus Australien kamen Passagiere auf meiner Reise. Dem internationalen Publikum wird mit den drei Bordsprachen norwegisch, englisch und deutsch Rechnung getragen.
Mein Fazit:
Die Havila Castor fasziniert mich als kleines, sehr modernes Schiff, das Maßstäbe in Bezug auf emissionsarme Antriebstechnologien setzt. Die Ausrichtung des Konzepts auf Nachhaltigkeit könnte passender nicht sein, für diese wohl schönste Seereise der Welt, mit unzähligen Naturerlebnissen. Schon in kurzer Zeit gewinnt mich die norwegische Küsten-Küche als Fan, mit leckeren Gerichten, sehr attraktiver Präsentation und charmantem Service.
Sofort nach der Heimkehr fasse ich den Entschluss, dieses Schiffskonzept möchte ich auf der gesamten Route erleben und dabei hoffentlich meine ersten Polarlichter sehen. Also heißt es im kommenden Winterhalbjahr: „auf an die norwegische Küste zur Jagd nach Polarlichtern“. Das klingt nach Abenteuer, bei klirrender Kälte den Naturgewalten an der Küste trotzen, auf der Suche nach dem Licht an den längsten Nächten nördlich des Polarkreises, mit Hundeschlitten durch die winterliche Landschaft…
Passenderweise bietet Havila Voyages dazu ein „Nordlicht-Versprechen“ an: Wer von 1.10. bis 31.03. keine Nordlichter auf seiner kompletten Rundreise zu sehen bekommt, erhält kostenlos nochmals zu einem späteren Zeitpunkt eine Teilstrecke mit 6- oder 7 Tagen (Richtung Nord oder Süd) in einer Innenkabine inklusive aller Mahlzeiten.
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