Msc Orchestra: rund um die britischen inseln (Teil 2)
Wir sind am Ende der Geschichte dieser Erfahrung an Bord der MSC Orchestra angelangt, wenn Sie die ersten Teile der Geschichte verpasst haben, können Sie sie hier lesen –> (Teil 1).
Dublin
Das Bild, das sich am nächsten Morgen bietet, ist dem in Belfast nicht unähnlich. Der Himmel ist wolkenverhangen, links und rechts vom Schiff markieren grüne Hügel die irische Küste, und voraus kommen von Dublin zunächst vor allem Kräne, Fabriktürme und die Silhouetten diverser Fähren in Sicht. An Steuerbord ragt der Leuchtturm von Baily in die Dublin Bay hinein, während der Lotse die Msc Orchestra umkreist.
Seinen Reiz versteckt die irische Hauptstadt am Vormittag noch. Das Nordufer der Liffey ist ohnehin das weniger reizvolle. Einem alten Witz zufolge heirateten Dubliner Frauen von der Southside nur dann einen Mann von der Northside, wenn sie ihre Handtasche wiederhaben wollten. Diese Zeiten sind heute zwar vorbei, rund um die O’Connell Street herrscht aber geschäftiges Treiben. Hier steht seit 2003 „The Spire“, eine 123 Meter Stahlskulptur, welcher die Dubliner ziemlich gleichgültig gegenüberstehen. Der Volksmund hat ihr überdies ziemlich unverblümt wenig schmeichelhafte Namen wie „Stiletto in the Ghetto“ oder „Stiffey by the Liffey“ gegeben, die hier lieber unübersetzt bleiben. Außerdem wird die O’Connell Street gesäumt von Statuen der Helden des Osteraufstands, in einer Seitenstraße mischt sich auch James Joyce darunter. Sein Mammutroman „Ulysses“ spielt in Dublin, wie überhaupt das Erbe der diversen berühmten irischen Dichter in der Hauptstadt mannigfach am Leben gehalten wird. Ebenso das Nationalgetränk Guinness, das in so gut wie jedem Pub Dublins ausgeschenkt wird und das auch nach über 250 Jahren noch immer im Stadtteil St. James Gate gebraut wird. An die Brauerei ist mittlerweile auch ein Werksmuseum angeschlossen; das „Guinness Storehouse“ in der Portland Street gilt mit über 1,7 Millionen Besuchern pro Jahr als Irlands größte Touristenattraktion.
Die St. Patrick’s Cathedral kann da nicht mithalten, auch wenn sie ungleich schöner anzusehen und ein ganzes Stück älter ist als die Brauerei. Sie geht auf das 12. Jahrhundert zurück, als die Normannen Irland gerade erobert hatten. Der Schriftsteller Jonathan Swift war im 18. Jahrhundert für 32 Jahre Dekan der Kathedrale, er ist dort auch begraben. Der große Park rings um das Kirchengebäude ist mit Bänken und Wiesen gesäumt – perfekt, um sich ein wenig auszuruhen, bevor man sich am Nachmittag den nächsten Teil Dublins erläuft.
Der fast zwangsläufig über die Einkaufsmeile Grafton Street führt und im Szene-Viertel Temple Bar endet. Der Name geht auf Sir William Temple zurück, einen irischen Staatsmann, der das Viertel am Ufer („Bar“) der Liffey im 16. Jahrhundert gekauft hatte, um es zu einem Handelsplatz auszubauen. Das funktionierte jedoch nur so lange, bis die Schiffe größer wurden und der Fluss nicht mehr tief genug für sie war. Dublins Hafen wanderte in der Folge immer weiter ostwärts – mit der Folge, dass das Viertel Temple Bar immer mehr verfiel. Erst mit der Ernennung Dublins zur Europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 1991 änderte sich dies wieder – die Straßenzüge rund um Essex Street, Anglesey Street und Fleet Street wurden saniert, renoviert und gentrifiziert – mit dem Erfolg, dass das Szene-Viertel inzwischen so „in“ ist, dass sich die Mieten dort kaum noch ein Dubliner leisten kann.
Glasgow
Der Clyde. Hier, wo es von Glasgow hinaus in die Irische See und in die Welt geht, ist bereits eine Lusitania zu ihrer Jungfernfahrt aufgebrochen, eine Aquitania und die drei berühmten alten „Queens“ der Cunard Line. Nirgendwo war man im 20. Jahrhundert produktiver, was den Schiffbau angeht, als bei John Brown in Clydebank, Stephen & Sons in Linthouse oder Fairfields in Govan. Bis nach Greenock zogen sich entlang der Eisenbahnlinie kleine und große Werften, Zulieferbetriebe und Kaianlagen. Hier legt am siebten Tag der Kreuzfahrt auch die Msc Orchestra an. Ins Zentrum Glasgows führt dagegen eine Vorortbahn, die 40 Minuten braucht, wenn man den etwas versteckt liegenden Bahnhof einmal gefunden hat.
Am Glasgower Hauptbahnhof sind wir mit einem Kollegen verabredet, der uns seine Heimatstadt „in a nutshell“ zeigen will. Alles, was uns selber interessiert, alles, was er uns zeigen möchte, und alles, was wir sonst noch so zu sehen bekommen. Wir haben fünf Stunden Zeit, also los geht’s.
Von der Central Station geht es zunächst über die pulsierende Einkaufsmeile Buchanan Street, ehe uns an der Station St. Enoch auch schon die U-Bahn verschluckt. Sie bringt uns ins Glasgower West End und dort in den Stadtteil Hillhead, zu den Botanic Gardens. Ganz in der Nähe durchstreifen wir rund um die Ashton Lane ein kleines Künstler- und Studenten-Viertel, ehe danach auch schon eines der markantesten Gebäude Glasgows in Sicht kommt: das Gilbert Scott Building, Hauptgebäude der mächtigen neogotischen Universität Glasgows. Gegründet 1451, zog sie 1870 auf dem Höhepunkt des merkantilen Ruhmes der Stadt an ihren heutigen prominenten Standort. Wir dürfen einen Blick in den kirchenschiff-ähnlichen großen Hörsaal werfen, ehrfurchtsvoll durch den Kreuzgang wandeln und am Ende auch kurz durch die Gänge des angeschlossenen Hunterian Museums streifen – des ersten von drei Museen am heutigen Tag. James Watt und Lord Kelvin haben an der Glasgow University studiert; einige der Instrumente, die sie damals benutzt haben, sind heute Teil der Ausstellung des Museums.
Zu Fuß geht es anschließend weiter durch das erstaunlich grüne Glasgow – vorbei an der prächtigen sandsteinroten Kelvingrove Art Gallery (dem meistbesuchten Museum Großbritanniens außerhalb Londons) hinunter zum Ufer des Clyde. Dort wartet Museum Nr. 2 auf uns – das Riverside Museum. Ein Technikmuseum, das es in sich hat – von den historischen Straßenbahnen und Bussen Glasgows über Werft- und Flusspanoramen bis hin zu Schiffsmodellen aller Art. Draußen vor der Tür liegt zudem die GLENLEE, ein 1896 in Glasgow gebauter Großsegler. 15 Mal hat er Kap Horn umrundet, ehe er in den 1960er Jahren beinahe der Vergessenheit anheim fiel. 1990 kaufte aber die Stadt Glasgow das Schiff, seit 1999 dient es in seinem alten Heimat- und Geburtshafen als schwimmendes Museum.
Eine kleine Flussfähre kürzt wenig später unseren Weg nach Govan ab, einen Stadtteil am Südufer des Clyde. Prunkvolle klassizistische Hausfassaden oder weltberühmte Museen sucht man hier vergeblich, Govan war 200 Jahre lang Glasgows wichtigster Werftstandort und Arbeiterbezirk. Im Jahr 2019 gibt es jedoch keine Werft und auch keine Arbeiter mehr. Dort, wo früher eine der größten Schiffswerften der Welt stand, befindet sich heute nur noch das „Fairfield Heritage Center“. Auch in diesem kleinen, aber feinen Museum (Nr. 3) einen Eindruck vom Glasgow vergangener Tage. Was nach diversen Insolvenzen und Neugründungen von Fairfield übriggeblieben ist, versteckt BAE Systems ein paar Straßen weiter in schmucklosen weißen Bauhallen: Der drittgrößte Rüstungskonzern der Welt fertigt hier Einzelteile für einen neuen Flugzeugträger. Zusammengesetzt wird er im fernen Liverpool.
Damit ist unsere Tour de Force aber noch nicht vorüber. Das Beste kommt wie immer zum Schluss: das herrlich mondäne Areal rund um den George Square, der vom imposanten Rathaus dominiert wird. In dessen Innerem wähnt man sich in einen italienischen Renaissance-Palast versetzt, so viel Marmor, Granit und Mosaike wurden hier verbaut. Draußen thronen zwei steinerne weiße Löwen vor dem Portal, einziger Schönheitsfehler ist das Denkmal von James Watt, dem die Glasgower Möwen längst ein permanent weißes Haupt verpasst haben.
Währenddessen können die umliegenden Straßenzüge mit einer Architektur aufwarten, die weit und breit ihresgleichen sucht. In ihr hat sich nicht nur die Jugendstil-Ikone Rennie Macintosh verewigt, sondern auch Architektengrößen wie Alexander Thomson oder William Young. Doch auch für moderne Architektur ist Glasgow in den letzten zwei Jahrzehnten eine Spielwiese gewesen; nicht umsonst war Glasgow 1999 britische Architektur- und Design-Hauptstadt. Überdies auch noch Europäische Kulturhauptstadt (1990), UNESCO City of Music (2008) sowie Austragungsort der Commonwealth Games (2014). Mehr Kultur geht nicht, den ewige Rivalen Edinburgh braucht Glasgow in Sachen Besucher- und Touristenzahlen jedenfalls schon lange nicht mehr zu fürchten.
Invergordon and Inverness
Nach einem wohlverdienten Seetag, an dem die Msc Orchestra die Nordspitze Schottlands umrundet hat, steuert das Schiff zwei Tage später am Morgen das kleine Invergordon an, das sich jedoch als wenig spektakulär erweist. Vor dem Souvenir-Laden am Kai sitzen zwei Highland-Rinder aus Plüsch, daneben macht ein Schild mit der Aufschrift „100 % Nessie guarantee – tomorrow!“ Werbung für Bustouren zum Loch Ness. Denn das ist Invergordons hauptsächliche Funktion: Hafen und Stadt dienen als Eingang zu den Highlands. Von hier aus geht es zum Loch Ness, aber auch zum Macbeth-Schloss Cawdor Castle und nach Inverness, in die Hauptstadt der Highlands.
Letztere empfängt uns mit Nieselregen, etwas anderes haben wir auch gar nicht erwartet. Die Stadt ist an der Mündung des River Ness gelegen, jenes Flusses, der weiter südlich in den weltbekannten Loch Ness übergeht. Das Seemonster „Nessie“ ist daher in Inverness allgegenwärtig – sei es auf T-Shirts, Tassen, Postkarten oder in Form von Plüschtieren aller Größen, Farben und Formen. Doch die Stadt hat noch mehr zu bieten als das berühmteste nichtexistierende Reptil der Welt. Auf einem Hügel am Fluss thront Inverness Castle. An derselben Stelle stand schon im 11. Jahrhundert ein Schloss, das jedoch wie seine Nachfolger diversen Feuersbrünsten, Belagerungen und Zerstörungen ausgesetzt war. Im Kontrast dazu stehen die grünen Ufer des River Ness, an denen man herrlich spazieren gehen kann. Die markante St. Andrew’s Kathedrale befindet sich hier, aber auch zum Caledonian Canal ist es nicht weit. Dieser verbindet, ähnlich dem schwedischen Götakanal, über 29 Schleusen die schottische Ost- mit der Westküste. Einen ausgiebigen Bummel lohnt im Anschluss daran auch die Innenstadt von Inverness. Schön ist vor allem die alte Markthalle „Victorian Markets“, aber auch die Old High Church, die als einziges Gebäude der Stadt noch aus dem Mittelalter stammt. In keinem Reiseführer findet man dagegen Leakey’s Book Shop – eine wahre Fundgrube und ein Paradies für Buchliebhaber, das mehr die Anmutung (wenn auch nicht die Ordnung) einer alten Bibliothek besitzt anstatt die eines Buchladens. Wer hier einkehrt, möchte so schnell nicht wieder hinaus!
Für Poolvergnügen oder verträumte Stunden an Deck verheißt das Tagesprogramm auch am letzten Tag der Kreuzfahrt nichts Gutes. „8° C min“ und „10° C max“ steht da fett gedruckt – Märztemperaturen Anfang Juli. Nun gut, bleiben wir eben in der kuscheligen Wärme unter Deck, während die Msc Orchestra einmal quer über die kabbelige Nordsee der Deutschen Bucht entgegensteuert. Unterdessen wird in der Savannah Bar das „Bierfest“ gefeiert. „Genießen Sie die bayerische Feststimmung“, heißt es dazu im Bordprogramm – ein Stück Heimat auf See.
Als die Msc Orchestra am nächsten Morgen in Altona festmacht, liegen zehn höchst ereignisreiche Kreuzfahrttage hinter uns. Dies war nicht die übliche Sieben-Nächte-Kreuzfahrt mit Stippvisiten hier und da und einem Seetag zum Packen bzw. Shoppen, sondern ein höchst intensives Reise-Erlebnis, bei dem ein Highlight das nächste gejagt hat. Gut, das Wetter zählte jetzt nicht gerade dazu, aber ansonsten kommen Natur-, Kultur- und Architekturfans auf einer Kreuzfahrt nach Irland und Schottland gleichermaßen auf ihre Kosten. Da darf sich zwischen den altehrwürdigen Häuserfronten von Belfast und Glasgow und zwischen den grünen Hügeln Irlands und der schottischen Highlands auch die Sonne gerne mal für ein paar Tage verstecken.
Hier ist unsere Geschichte von MSC Orchestra zu Ende. Möchten Sie uns von Ihren Erfahrungen erzählen? Sie können dies tun, indem Sie eine Rezension im Cruising Journal hinterlassen.
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